Donnerstag, 8. Juni 2006

Dort, von wo kein Schmerz entfliehen kann und ewig schmerzen wird...

Die Zeit verrinnt. Zäh und klebrig schiebt sie sich unaufhaltsam vorwärts. Saugt alles in sich auf, reißt alles mit sich. Dinge verändern sich, zerfallen im Bruchteil eines Augenblicks.
Im Strom dieser Masse, in der nichts mehr zu erkennen ist, kämpft ein Herz um Halt. Versucht sich festzuklammern an den Leichen der Gefühle. Doch immer wieder gleitet es von ihnen ab. Erschrickt sich vor der unheimlichen Kälte, welches es bei jeder Berührung spürt. Es fühlt sich einsam, verlassen, leer, tot. Alles ist dunkel, nichts an dem sich der verzweifelte Blick halten kann.
Nachdem sich die Zeit endlos langsam vorbeigeschoben hat, beginnt sich der Nebel des Vergessenen zu weben. Undurchdringlich und eisig legt er sich über die Reste des Zeitlosen, um sie für immer unter sich zu begraben. Dort, wo nie ein Lichtstrahl sie je erreichen wird; kein Gedanke je den Weg zu ihnen finden kann. Dort, von wo kein Schmerz je entfliehen kann und ewig schmerzen wird.

Warum nur war ich so dumm? Weshalb habe ich diesen Fehler begangen? Wieso spüre ich diesen Schmerz, den ich doch schon vor so langer Zeit im Sumpf bestattet habe? Dort, von wo kein Schmerz je entfliehen kann und ewig schmerzen wird. Warum auch bin ich dorthin zurückgekehrt? Was hatte ich denn gehofft dort zu finden? Und weshalb nur stelle ich diese Fragen?

Auf ewig werde ich dort unten wandeln. Ohne Antworten auf Fragen, die ich nie hätte stellen dürfen. Denn Tote reden nicht. Sie klammern sich nur mit eisigen Griffen an mein Herz. Mit scharfen Krallen graben sich die Leichen der Gefühle hinein, wollen zurück in den Leib ihrer Mutter. Doch das Herz hat sie verstoßen und will auf ewig vergessen. Vergessen...ist es so? Will es das wirklich?
Warum dann versucht es krampfhaft den letzten Funken seiner sterbenden Glut hinab in das Grab zu senden? Dorthin, von wo nie ein Schmerz je wird entfliehen können und auf ewig schmerzen wird.
Es ist doch sinnlos zu versuchen, Tote auferstehen zu lassen. Es ist zu spät. Morde kann man nicht ungeschehen werden lassen.

Ich wollte den Himmel, und ging dafür über Leichen. Nun irre ich in der Hölle - ohne Hoffnung, ohne Licht, ohne Wärme. Der zähe Strom der Zeit ist längst an mir vorbeigeronnen und meine Seele wird vom Nebel des Vergessenen eingesponnen, um nie von dort entfliehen zu können und auf ewig zu schmerzen.

Montag, 5. Juni 2006

...

Denn eng ist die Pforte und schmal der Weg, der zum Leben führt, und wenige sind es, die ihn finden.
Matthäus 7,14

Donnerstag, 1. Juni 2006

Georg Trakl

Vorhölle

An herbstlichen Mauern, es suchen Schatten dort
Am Hügel das tönende Gold
Weidende Abendwolken
In der Ruh verdorrter Platanen.
Dunklere Tränen odmet diese Zeit,
Verdammnis, da des Träumers Herz
Überfließt von purpurner Abendröte,
Der Schwermut der rauchenden Stadt;
Dem Schreitenden nachweht goldene Kühle
Dem Fremdling, vom Friedhof,
Als folgte im Schatten ein zarter Leichnam

Leise läutet der steinerne Bau;
Der Garten der Waisen, das dunkle Spital,
Ein rotes Schiff am Kanal.
Träumend steigen und sinken im Dunkel
Verwesende Menschen
Und aus schwärzlichen Toren
Treten Engel mit kalten Stirnen hervor;
Bläue, die Todesklagen der Mütter.
Es rollt durch ihr langes Haar,
Ein feuriges Rad, der runde Tag
Der Erde Qual ohne Ende.

In kühlen Zimmern ohne Sinn
Modert Gerät, mit knöchernen Händen
Tastet im Blau nach Märchen
Unheilige Kindheit,
Benagt die fette Ratte Tür und Truh,
Ein Herz
Erstarrt in schneeiger Stille.
Nachhallen die purpurnen Flüche
Des Hungers in faulendem Dunkel,
Die schwarzen Schwerter der Lüge,
Als schlüge zusammen ein ehernes Tor.

Rainer M. Rilke

Todeserfahrung

Wir wissen nichts von diesem Hingehn, das
nicht mit uns teilt. Wir haben keinen Grund,
Bewunderung und Liebe oder Haß
dem Tod zu zeigen, den ein Maskenmund


tragischer Klage wunderlich entstellt.
Noch ist die Welt voll Rollen, die wir spielen.
Solang wir sorgen, ob wir auch gefielen,
spielt auch der Tod, obwohl er nicht gefällt.


Doch als du gingst, da brach in diese Bühne
ein Streifen Wirklichkeit durch jenen Spalt
durch den du hingingst: Grün wirklicher Grüne,
wirklicher Sonnenschein, wirklicher Wald.


Wir spielen weiter. Bang und schwer Erlerntes
hersagend und Gebärden dann und wann
aufhebend; aber dein von uns entferntes,
aus unserm Stück entrücktes Dasein kann


uns manchmal überkommen, wie ein Wissen
von jener Wirklichkeit sich niedersenkend,
so daß wir eine Weile hingerissen
das Leben spielen, nicht an Beifall denkend.

Rainer M. Rilke

O Herr, gieb jedem seinen eignen Tod.
Das Sterben, das aus jenem Leben geht,
darin er Liebe hatte, Sinn und Not.

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Mein Lesestoff


Terry Pratchett, Andreas Brandhorst
Die Magie der Scheibenwelt


Jeffrey Eugenides, Mechtild Sandberg-Ciletti, Eike Schönfeld, Mechthild Sandberg- Ciletti
Die Selbstmord-Schwestern.



Mary Higgins Clark, Mary Higgins Clark
Daß Du ewig denkst an mich.

Rajeeyah@last.fm

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Zuletzt aktualisiert: 2007/05/16 15:46