Poesie
Todeserfahrung
Wir wissen nichts von diesem Hingehn, das
nicht mit uns teilt. Wir haben keinen Grund,
Bewunderung und Liebe oder Haß
dem Tod zu zeigen, den ein Maskenmund
tragischer Klage wunderlich entstellt.
Noch ist die Welt voll Rollen, die wir spielen.
Solang wir sorgen, ob wir auch gefielen,
spielt auch der Tod, obwohl er nicht gefällt.
Doch als du gingst, da brach in diese Bühne
ein Streifen Wirklichkeit durch jenen Spalt
durch den du hingingst: Grün wirklicher Grüne,
wirklicher Sonnenschein, wirklicher Wald.
Wir spielen weiter. Bang und schwer Erlerntes
hersagend und Gebärden dann und wann
aufhebend; aber dein von uns entferntes,
aus unserm Stück entrücktes Dasein kann
uns manchmal überkommen, wie ein Wissen
von jener Wirklichkeit sich niedersenkend,
so daß wir eine Weile hingerissen
das Leben spielen, nicht an Beifall denkend.
Deprivation - 2006/06/01 11:26
O Herr, gieb jedem seinen eignen Tod.
Das Sterben, das aus jenem Leben geht,
darin er Liebe hatte, Sinn und Not.
Deprivation - 2006/06/01 11:04
blind meine augen
taub meine ohren
stumm meine lippen
gelähmt mein rückgrat
kalt meine haut
hoffnungslos meine gedanken
geknebelt mein herz
gefesselt meine seele
doch dich sehe höre ich
dir erzähle ich von mir
dich trage wärme ich
für dich bete ich
für dich fühle ich
für dich - für dich kann ich auch fliegen
Deprivation - 2006/05/27 01:40
Die Liebe hemmet nichts; sie kennt nicht Tür noch Riegel und dringt durch alles sich; Sie ist ohn Anbeginn, schlug ewig ihre Flügel und schlägt sie ewiglich.
Deprivation - 2006/05/27 00:38
ach, wie bist du mir,
wie bin ich dir geblieben!
nein, an der wahrheit
verzweifl' ich nicht mehr,
Ach, wenn du da bist,
fühl' ich, ich soll dich nicht lieben,
ach, wenn du so fern bist,
fühl' ich, ich lieb' dich so sehr.
Deprivation - 2006/05/27 00:36
die sonne scheint für mich nicht helle,
mich kühlt die glut, mich brennt das eis.
ich weiß und weiß nicht, was ich weiß.
die nacht tritt an des tages stelle.
jetzt bin ich dort, jetzt da, jetzt hier.
ich folg' und fliehe selbst vor mir.
wie wird mir's doch noch endlich gehen?
ich wohne nunmehr nicht in mir.
mein schein nur ist es, den ihr hier
in meinem bilde sehet stehen.
ich bin nun nicht mehr selber ich.
ach liebe, wozu bringst du mich!
Deprivation - 2006/05/27 00:00
gesegnet sei das jahr, der tag, die stunde,
der stand der sonne und der lüfte wehen,
da ich dein strahlend aug zuerst gesehen;
das erste wort vernahm aus deinem munde.
gesegnet sei die erste süße wunde,
der schmerz, den mich die liebe ließ bestehen;
gesegnet sei das entzücken, das vergehen
mein herze macht, dass es nimmer mehr gesunde.
gesegnet sei der hauch, der tausendmal
den heiß geliebten namen ließ erklingen,
gesegnet tränen, seufzer, sehnsuchtsqual.
und die zu ihrem ruhm nur soll erklingen,
geliebte leier, sei gebenedeit,
und all mein sinnen, das sei nur ihr geweiht.
Deprivation - 2006/05/26 23:46
Gute und tiefe Gespräche,
in denen man so sein kann,
wie man ist.
Gespräche,
in denen Platz ist
für die innersten Gefühle,
Gespräche,
in denen der Geist wach wird.
Mut zusprechen,
seiner Sehnsucht nachzuspüren.
Kraft schenken,
Tag für Tag
an seinem Traum zu arbeiten.
Deprivation - 2006/04/24 15:34
Das ist die Sehnsucht: wohnen im Gewoge
Das ist die Sehnsucht: wohnen im Gewoge
und keine Heimat haben in der Zeit.
Und das sind Wünsche: leise Dialoge
täglicher Stunden mit der Ewigkeit.
Und das ist das Leben. Bis aus einem Gestern
die einsamste von allen Stunden steigt,
die, anders lächelnd als die anderen Schwestern,
dem Ewigen entgegenschweigt.
Rainer Maria Rilke - Dies Alles von mir.
Deprivation - 2006/04/22 00:49